Im richtungsweisenden Projekt KliNaWo hat sich das Energieinstitut Vorarlberg gemeinsam mit der VOGEWOSI, der Arbeiterkammer und AlpS auf die Suche nach dem optimalen Gebäudestandard gemacht. Nach vier Jahren Grundlagenarbeit und dem Betrachten von 60.000 Gebäudevarianten sind die Projektpartner fündig geworden.

Energieeffizient und kostenoptimiert wird das Gebäude im Projekt KliNaWo sein, das von der VOGEWOSI heuer in Feldkirch Tosters errichten wird. Und es geht als Sieger aus dem wohl umfangreichsten Gebäudevariantencasting hervor, das in Vorarlberg – und ziemlich sicher darüber hinaus – jemals betrieben wurde. Ausgehend von der Frage, wo sich Energie- und Kostenoptimum treffen, wurden von den Projektpartnern vier Jahre lang Grundlagen und Varianten entwickelt, diskutiert, adaptiert und verworfen. Und für das künftige Bauen von Mehrfamilienhäusern in Vorarlberg richtungsweisende Erkenntnisse generiert:

  • Mehr als 95% der gerechneten Varianten lagen in ihren Errichtungskosten unter der Kostengrenze der Wohnbauförderung – die schließlich ausgewählte Variante unterschreitet diese um mehr als 100,- Euro pro Quadratmeter.
  • Die kostenoptimalen Varianten liegen im Primärenergiebedarf weit unter den derzeitigen und geplanten Grenzwerten. Wer also am Grenzwert baut, baut teurer, als notwendig.
  • Die Mehrkosten der hocheffizienten Varianten von vier bis sechs Prozent werden im Lebenszyklus durch geringere Betriebskosten mehr als kompensiert.
  • Die Passivhaushülle und hocheffiziente Fenster sind mit oder ohne Förderung in den meisten Fällen wirtschaftlich.
  • Die Erdreichwärmepumpe ist der wirtschaftlichste Wärmeerzeuger.
  • Die Variantenauswahl nach Lebenszyklus- (und nicht nur nach Errichtungskosten) ist sinnvoll und sollte verstärkt werden.

Wie diese Erkenntnisse zustande gekommen sind und in einem Pilotgebäude umgesetzt werden, lesen Sie im Folgenden. Einen detaillierteren Bericht können Sie in der April-Ausgabe unserer Institutszeitschrift max50 nachlesen.

Die Optimierung des Entwurfs

Der Grundgedanke des Projekts KliNaWo („Klimagerechter, Nachhaltiger Wohnbau“ – Details können Sie hier nachlesen) ist die energetische und wirtschaftliche Optimierung durch den Vergleich möglicher Ausführungsvarianten – sprich: herauszufinden, wie ein Mehrwohnungsgebäude aussehen muss, das in der Errichtung und durch eine hohe Energieeffizienz im laufenden Betrieb möglichst günstig ist. Die lange Vorlaufzeit von vier Jahren resultiert aus dem Erarbeiten fundierter Grundlagen und dem Betrachen verschiedener Varianten. Schon beim ersten Entwurf für das zu realisierende Gebäude wurden detaillierte Optimierungen durchgeführt, die Bauwerkskosten verringern, die Behaglichkeit für die Bewohner erhöhen und den Energiebedarf und damit die Betriebskosten reduzieren.

Detailplanung und Ausschreibung von Varianten

Für diesen optimierten Entwurf wurden zahlreiche Varianten geplant und ausgeschrieben:

  • Gebäudekonstruktion: Massivbau mit dämmstoffgefülltem Ziegel, Massivbau (Ziegel) mit Wärmedämmverbundsystem, Mischbau (Stahlbeton) mit Holzaußenwänden sowie ein reiner Holzbau
  • Wärmeerzeugung: Gas, Pellets, Erdreichwärmepumpe und Fernwärme
  • Lüftungsvarianten: Abluft sowie Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung
  • verschiedene Größen von thermischen Solar- und Fotovoltaikanlagen

Durch die Kombination aller daraus resultierenden möglichen Ausführungen ergeben sich 147.000 Varianten, von denen die technisch und baurechtlich möglichen 60.000 detaillierter untersucht wurden. Dabei wurden die aus den Ausschreibungen erhobenen Kosten zur Betrachtung der Wirtschaftlichkeit herangezogen, die mit für das Projekt realen Kosten und nicht mit Durchschnittswerten aus anderen Projekten durchgeführt werden sollten.

Die Berechung der Varianten

In einem ersten Teil wurden mit einem vom Energieinstitut Vorarlberg entwickelten PHPP-Makro (das PHPP ist ein Tool zur Berechnung von Energiekennwerten bei Passivhäusern) die Energiekennwerte für Heizung (auch angepasst an reale Raumtemperaturen), Warmwasser (auch angepasst an einen erhöhten Warmwasserbedarf) sowie Hilfs- und Haushaltsstrom berechnet. Nachfolgend wurden die Lebenszykluskosten für jede Variante berechnet. Dabei wurden die Errichtungs- sowie die Wartungs- und Energiekosten für alle Energieanwendungen berücksichtigt. Die Wirtschaftlichkeit wurde nach den Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie und sowohl mit als auch ohne Förderungen (Stand 2015) berechnet. Dabei trat eine wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt zutage, nämlich dass die Varianten im wirtschaftlichen Optimum alle deutlich unter den gesetzlichen Anforderungen an den Primärenergieverbrauch liegen.

Kostenoptima liegen unter den Grenzwerten für den Primärenergiebedarf.

Im gemeinnützigen Wohnbau liegen die Kostenoptima des Primärenergiebedarfsdeutlich unter den Grenzwerten. (Darstellung in Abhängigkeit vom Wärmeversorgungssystem). Grafik: Energieinstitut Vorarlberg

 

Aus 60.000 mach 1: die Entscheidungsfindung

Um die tatsächlich zu bauende Variante auszuwählen, wurden die Gemeinsamkeiten der wirtschaftlichsten Varianten unter Berücksichtigung der Förderungen analysiert. Dabei zeigten sich folgende Ergebnisse:

  • Gebäudehülle: sämtliche der wirtschaftlichsten Varianten haben Passivhausqualität
  • Fenster: 72% der wirtschaftlichsten Varianten haben die marktbeste Verglasung
  • Konstruktion: Unter den wirtschaftlichsten Varianten ist der Massivbau in allen Ausführungen etwa gleich stark vertreten, also der gedämmte Ziegel, der Ziegel mit Wärmedämmverbundsystem und der Stahlbeton mit Holzfassade. Der Holzbau hätte besser abgeschnitten, wenn der Entwurf von Anfang an auf den Holzbau optimiert worden wäre, insbesondere, wenn man die kürzeren Bauzeiten mitbewertet.
  • Wärmeerzeugung: 97% der wirtschaftlichsten Varianten verfügen über eine Erdreich-Wärmepumpe.
  • Solarthermie: 70% der wirtschaftlichsten Varianten verfügen über eine Anlage mit 115 m2 Kollektorfläche.
  • Fotovoltaik: Ohne Einspeisevergütung durch die OeMAG ist eine PV-Anlage noch knapp von der Wirtschaftlichkeit entfernt, immerhin 27% der wirtschaftlichsten Varianten verfügen dennoch über eine Anlage mit 10 kWp.
  • Lüftung: Für die Varianten mit hocheffizienter Wärmepumpe ist die Abluftanlage meist wirtschaftlicher, als die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung. Bei den Varianten mit Fernwärme und Pellets ist aufgrund der Energieeinsparung die Komfortlüftung wirtschaftlicher.

Daraus lässt sich die Variante ableiten, die schlussendlich im Frühjahr 2016 gebaut wird: Die Hülle in Passivhausqualität, gebaut aus Ziegel mit einem Wärmedämmverbundsystem. Fenster mit bester Verglasung, Erdreich-Wärmepumpe, 115 m2 thermische Solaranlage und eine Abluftanlage. Energieinstitut Voralrberg und die Fachplaner würden aus Behaglichkeitsgründen und wegen der nur minimal höheren Kosten die Komfortlüftung bevorzugen, die VOGEWOSI als Bauherrin verspricht sich von der Lösung mit Abluftanlage eine geringere Komplexität.

Die Lebenszykluskosten aller 60.000 Varianten im Vergleich zum Primärenergiebedarf. Grafik: Energieinstitut Voralrberg

Die Lebenszykluskosten aller 60.000 Varianten im Vergleich zum Primärenergiebedarf. Grafik: Energieinstitut Vorarlberg

 

Nächste Schritte

Baubeginn des Projekts ist im April 2016, fertiggestellt wird die Anlage 2017. Anschließend folgt ein zweijähriges Monitoring der energetischen Performance und Behaglichkeit, um die bis zur Umsetzung getroffenen Annahmen final abzusichern.

Einen detaillierteren Bericht zum Projekt KliNaWo können Sie in der April-Ausgabe der Energieinstituts-Zeitschrift max50 nachlesen. In der Verantsaltungsreihe „economicum“ ist nächste Session am 3. Mai 2016 ausführlich dem Projekt gewidmet. Bis zur Freischaltung der online-Anmeldung können Sie sich formlos per E-Mail an Beatrix Dold auf die Einladungsliste setzen lassen.

 


Zuletzt aktualisiert am 11. April 2016