Am 8. Jänner hat das europäische Stromnetz einen ordentlichen Ächzer von sich gegeben. Wie das ging, was das mit dem Ausbau der Erneuerbaren zu tun hat und wie die Netze in Zukunft stabil gehalten werden können, haben wir Vorarlberg Netz-Chef Johannes Türtscher gefragt.

Was könnte denn zum Fast-Blackout Anfang Woche geführt haben und wie knapp waren wir wirklich dran?

Nach aktuellem Stand war der Auslöser eine Serie von Ausfällen eines oder mehrerer Betriebsmittel (z.B. Stromleitung) in Südosteuropa um 14:05. Diese Ausfälle zogen eine Trennlinie („Split“) südöstlich von Österreich, und das kontinentale Stromnetz wurde in zwei Teile („Synchroninseln“) geteilt. In der westlichen Insel, zu der auch Österreich gehörte, betrug der Frequenzabfall (bedeutet: zu wenig Stromerzeugung) kurzfristig bis zu rund 260 mHz.

Der Grund für die Ausfälle der Betriebsmittel, die zu dem Split geführt haben, ist zur Zeit Gegenstand der Ermittlungen in den europäischen Expertengremien der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der europäischen Dachorganisation der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E).

Möglicherweise hat der Ausfall einer Leitung für die Teilung des Netzes gesorgt.

Möglicherweise hat der Ausfall einer Leitung für die Teilung des Netzes gesorgt.

Die europäische Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und die Koordinierung hat ausgezeichnet funktioniert. Innerhalb einer Stunde konnte der Normalbetrieb wiederhergestellt werden. Das zeigt, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit im Sinne eines europäischen Schutzmechanismus ist.

Die Maßnahmen zur Beherrschung von kritischen Netzzuständen, zur Vermeidung von Großstörungen bzw. Begrenzung ihrer Auswirkungen sind europaweit abgestimmt und nationalen im Systemschutzplan beschrieben. Für Frequenzabweichungen größer 200 mHz sind entsprechende automatische Maßnahmen definiert. Im österreichischen Systemschutzplan sind zwischen 49,8 und 49,0 Hz automatische Maßnahmen im Kraftwerksbereich wirksam, erst bei einer weiteren Unterschreitung kommt es zu einer Aktivierung des automatischen unterfrequenzabhängigen Lastabwurfs.

In den VN war zu lesen, dass die Volatilität erneuerbarer Energieträger „brandgefährlich“ sei. Stimmt das?

Die Energiewende bzw. die erneuerbaren Energieträger stehen aus heutiger Sicht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 8.1.2021.

Was braucht es in Zukunft, um die Netze stabil zu halten?

Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Digitalisierung und Demokratisierung sind die wesentlichen Treiber der Veränderung des Energiesystems.

Um diese Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig die sichere Stromversorgung nachhaltig gewährleisten zu können, ist es notwendig das Stromsystem (Erzeugung, Übertragung und Verteilung) ganzheitlich zu entwickeln und Kapazitätsreserven auf verschiedensten Ebenen des Stromsystems zu halten bzw. zu schaffen.

Dies gilt insbesondere für die Bereich

  • verfügbare Netzkapazitäten (entsprechender Netz- aus und Umbau in Österreich und Europa)
  • verfügbarkeit von Speicherkapazitäten
  • systemische Kraftwerksreserven
  • Nutzung aller Flexibilitätsoptionen, um auch Kapazitäten im Krisenfall systemisch nutzbar zu machen (insbesondere mittels digitaler Technologien)

Mit derartig geschaffenen Kapazitätsreserven können einerseits Vorfälle wie dem in der vergangenen Woche besser gemanagt werden, andererseits kann damit auch die Integration der Erneuerbaren Energien nachhaltig gewährleistet werden. Somit sind diese Kapazitätsreserven die Grundlage eines sicheren und ökologischen Stromsystems auch in Zukunft und damit Grundlage für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich und Europa.

 

In der Herbstausgabe unserer Institutszeitschrift max50 hat Johannes Türtscher das Prozedere eines Blackouts für Vorarlberg betrachtet und erklärt, wie im Fall des Falles in Vorarlberg vorgegangen wird. Den lesenswerten Beitrag finden Sie hier.

 

tomertu auf stock.adobe.com

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Zuletzt aktualisiert am 19. Januar 2021