Die Regierungskoalition hat sich auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geeinigt. Jetzt braucht es noch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und es wäre geschafft. Die Erneuerbaren-Energie-Branchen können es kaum erwarten. Laut Angaben des Bundesverbandes PV-Austria warten schon mehr als 6.000 baureife Photovoltaik-Projekte auf die Förderung. Wir sehen viel Potential. Eine Einschätzung.
Es ist ein großer Wurf mit hohem Fördervolumen, dessen tatsächliche Auswirkung auf die Nutzung erneuerbarer Energien noch nicht abgeschätzt werden kann. Fix ist: Die Ziele sind ehrgeizig, die Herausforderungen groß. Achtmal (sagt das Ministerium) jene Energiemenge, die Zwentendorf abgegeben hätte, wäre es je ans Netz gegangen, soll bis 2030 aus erneuerbaren Quellen stammen. Zusätzlich, versteht sich. Wir sind beim Nachrechnen eher auf fünfmal gekommen, also reden wir lieber von den 27 Terawattstunden, um die es sich unbestritten handelt.
Das ist herausfordernd, denn es heißt: alle 2 Jahre ein (kleines) AKW. Wird nur der anteilige PV-Zubau Österreichs (Ziel: 11 TWh) für Vorarlberg hergenommen (5 % entsprechen rund 550 GWh), so bedeutet das, dass ab morgen und bis zum 31. Dezember 2030 von montags bis samstags jeden Tag 150 kWp PV dazugebaut werden müssen. Das ist eine größere Anlage pro Tag (zum Beispiel auf einem Firmengebäude) oder 30 5-kWp-Anlagen auf Einfamilienhausdächern.
Was bewirkt eine Milliarde im Jahr?
Ob die bereitgestellte Milliarde pro Jahr (im Mittel über drei Jahre) ausreicht, um den Schub für Wind und PV-Neubauten voranzutreiben, hängt von den Strom-Marktpreisen ab. Sind diese hoch, müssen weniger Differenzbeträge aus den Fördertöpfen berappt werden und die Milliarde reicht für mehr GWh erneuerbare Energie. Das Förderregime wird sich erst einpendeln müssen, damit optimale Werte für die Produzenten und für den notwendigen Zuwachs ergeben.
500 Mio. Förderung gibt es künftig auch für Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff zum Einsatz in der Industrie, eine neue Wende seit der Begutachtung. Das war offensichtlich der Preis, kein grünes Gas in das EAG aufzunehmen.
Die EEGs und BEGs als Turbo der Stromwende
Als herausfordernd erachten wir auch die Etablierung der Erneuerbaren Energiegemeinschaften bzw. der Bürgergemeinschaften. Diese beiden Gemeinschaften sind vorerst keine (finanziellen) Selbstläufer, da wird hart gerechnet werden müssen und es wird wohl stark von der Größe der Gemeinschaften abhängen, dass von „win-win“ für alle Beteiligten gesprochen werden kann. Erfreulich ist, dass substanzielle Reduktionen von Steuern und Abgaben in einer EEG beabsichtigt sind: Die Reduktion der Netzgebühren, gänzlicher Wegfall des Ökostromförderbeitrages und der Energieabgabe. Da könnten Einsparungen von ca. 5 ct/kWh für den in einer EEG genutzten Strom zusammenkommen.
Ob das ausreicht um der erhoffte Turbo für den Ausbau der Ökostromanlagen zu werden, wird letztendlich die Bürger*in entscheiden. Die Haltung pro Energieeffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energie ist in allen Umfragen sehr hoch. Aber das Paradoxe daran ist: genauso hoch der Wiederstand, wenn es um neue PV-Freiflächenanlagen, Windräder, Stromtrassen oder den Ausbau von Wasserkraft geht. Auch die Stromrechnung sollte nicht steigen. Gesetzliche Regelungen und Verordnungen auf Landes- und Gemeindeebene sind das letzte Glied in der Kette und mitunter Hemmnis beim Ausbau.
Nicht vergessen: die „Winterstromlücke“
Und wir wissen, dass die vollständige (jahresbilanzielle) Stromabdeckung 2030 durch Erneuerbare noch (lange) nicht das Ende der Fahnenstange ist. Durch den jährlich steigenden Stromkonsum könnte die „Winterstromlücke“ größer sein als jetzt, was bedeuten würde, dass gerade in jenen Zeiten, wo die Luftwärmepumpen surren und die E-Autos einen höheren Strombedarf pro 100 km haben, wenig PV-Strom und mehr Kohle/Gas/Atomstrom aus der Steckdose kommt.
Da gilt es noch, den dann hoffentlich geringeren Energiebedarf für Heizung und Warmwasser in unseren Gebäuden sowie den restlichen fossilen Energiebedarf für die Produktion von Gütern auch noch erneuerbar zu decken. Das heißt, es braucht noch mindestens 2 oder 3 ähnliche große Würfe a la EAG für ein dekarbonisiertes Österreich. Ein Element muss die CO2-Bepreisung sein. Die Schweiz macht uns das seit zehn Jahren vor, Deutschland ist heuer gestartet. Je später wir einsteigen, umso höher ist der Einstiegspreis.
Fakt ist aber: Entschuldigungen, wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen zu wenig im erneuerbaren Sektor voranzutreiben, wird es ab Sommer 2021 nicht mehr geben.
Zuletzt aktualisiert am 1. April 2021