Tun wir was wir wissen!

Was gestern noch als unmöglich galt, ist heute technisch möglich und funktioniert auch in der Praxis.

So könnte man die Eindrücke aus der Exkursion economicum on the road 2017 zusammenfassen. Wie die drei besichtigten Projekte in der Ostschweiz zeigen, können Mehrfamilienhäuser mit marktverfügbaren Produkten und Konzepten energieautark errichtet und betrieben werden und Sanierungen können so effizient ausgeführt werden, dass sie Ihren Energiebedarf in der Jahresbilanz durch Solargewinne aus PV und Thermie decken können.

Energieautarkes Mehrfamilienhaus in Brütten

Ziel des von der Umweltarena Schweiz initiierten und errichteten Projekts ist es, zu demonstrieren, dass der Energiebedarf von Mehrfamilienhäusern so weit gesenkt werden kann, dass die vor Ort erzeugten Gewinne (passiv solar, Solarthermie, PV) den Energiebedarf für alle Energieanwendungen inkl. Haushaltsstrom zu jeder Sekunde des Jahres decken können. Um dies zu veranschaulichen wurde das Gebäude mit 6 Wohneinheiten ohne Netzanschluss errichtet – einzige Energiequelle ist die Sonne. Das Konzept der Energieautarkie eines einzelnen Gebäudes soll mit dem Projekt nicht als in der Masse umzusetzender Weg dargestellt werden.Dden Initiatoren geht es vielmehr darum, aufzuzeigen, dass wir schon heute über das know-how und die technischen Komponenten verfügen, Gebäude autark zu errichten und dass mit dem vorhandenen know how sehr effiziente Gebäude mit hohen Autarkiegraden ohne Probleme errichtet werden können.
Um dies zu ermöglichen wurden u.a. die folgenden Komponenten zu einem gut abgestimmten Gesamtkonzept zusammengefügt:

  • Sehr guter Wärmeschutz der Gebäudehülle
  • Passive Solarenergienutzung
  • Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung
  • Ausstattung mit marktbesten Elektrogeräten
  • Nutzung von Dach und Fassaden für die PV-Stromerzeugung
  • Batterien als Kurzzeitspeicher für PV-Strom
  • Umwandlung eines Teils der PV-Stromgewinne in Wärme durch Wärmepumpe
  • Wasser und Erdreich als Langzeitspeicher
  • Wasserstofferzeugung in Elektroliseur, Nutzung des Wasserstoffs als Langzeitspeicher
  • Nutzung des Wasserstoffs zur Strom- und Wärmeerzeugung in Brennstoffzelle

Erfahrungen im ersten Betriebsjahr zeigen: die Autarkie wurde erreicht, gewohnt üblicher Komfortstandard ganzjährig zur Verfügung.

Sanierung mit Aufstockung statt Neubau, Zürich

70% Reduktion des Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser trotz Erweiterung der Wohnfläche um 22% – das ist die Bilanz des von Arch. B. Kämpfen geplanten Projekts in Zürich-Schwamendingen. Dank eines gut abgestimmten Energiekonzepts erreicht das Gebäude mit einer Energiebezugsfläche von (2.132m2 nach Sanierung) als erstes Sanierungsprojekt den Schweizer Null-Heizenergiestandard Minergie A. Das Konzept in Stichworten:

  • Reduktion des Energiebedarfs durch sehr gute Dämmung (u.a. 22 cm Fassaden), hochwertige Fenster und Reduktion der Wärmebrücken
  • Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung
  • 180m2 thermische Kollektoren an Ost,- Süd- und Westfassaden + 17.600 Liter Pufferspeicher (System Jenni)
  • Erdsonden-Wärmepumpe und Umstieg von Radiatoren auf Fußbodenheizung – neuer Fußbodenaufbau war aus Schallschutzgründen ohnehin notwendig
  • 6kWp PV-Anlage auf dem Dach

Durch die starke Reduktion des Wärmebedarfs und den Umstieg auf eine Sole-Wärmepumpe kann der Strombedarf der Haustechnik für Heizung, Warmwasser und Lüftung in der Jahresbilanz durch die Erträge der PV-Anlage gedeckt werden. Gegenüber einem Neubau wurde der Herstellungs-Energiebedarf („graue Energie“) um 75% reduziert.
Besonders überzeugend ist das Projekt durch die Neuinterpretation des Bestandes – dieser bleibt erkennbar, obwohl die neuen Komponenten des Energiekonzepts nicht versteckt werden: Die thermischen Kollektoren in der Fassade wurden als Gestaltungselement eingesetzt,  zur besseren Integration wurden  sie mit erstmals eingesetzten Kromatixgläsern ausgestattet, die Spiegelungen und Blendungen verhindern und eine leicht changierende, helle Farbe haben.
Die Vermietungserlöse der 4 zusätzlichen Wohnungen im neuen Attikageschoss werden zur Quersubventionierung der Mieten der übrigen Wohnungen verwendet.

Pilotprojekt-Sanierung mit PV-Fassade, Zürich

Fassadenintegrierte PV-Module können einen erheblichen Beitrag zur Energieversorgung von Gebäuden spielen – wegen der im Vergleich zur Wohnfläche rel. kleineren Dachfläche ist dieses Thema besonders für höhere Geschosswohnbauten von Interesse. Trotz dieses Vorteils spielen fassadenintegrierte PV-Elemente bislang nur eine sehr kleine Rolle – ein Hauptgrund ist die mangelnde Akzeptanz: viele Architekten und Stadtplaner lehnen PV-Module an der Fassade aus ästhetischen Gründen ab. Um das große Potenzial zur Energieerzeugung zukünftig besser auszunutzen, wurde im Sanierungsprojekt des Architekten K. Viriden in Zürich ein neuartiges Fassaden-PV Modul zur Marktreife gebracht und erstmals eingesetzt. Der Vorteil des Systems: es ist in verschiedenen Farben erhältlich, hat eine matte Oberfläche und ist nicht als PV-Modul erkennbar  sondern ähnelt üblichen Plattenwerkstoffen für hinterlüftete Fassadenkonstruktionen.
Die Module wurden als wichtiger Teil des Gesamtkonzepts einer Wohngebäudesanierung in Zürich eingesetzt, in der der Heizenergiebedarf von 107 kWh/m2a vor Sanierung auf 13 kWh/m2a nach Sanierung reduziert wurde. Das Gebäude erreicht damit den Minergie P-Standard, der in etwa Passivhausniveau entspricht. Das Projekt wird als Leuchtturmprojekt des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE) wissenschaftlich begleitet, in dem die marktnahe Entwicklung innovativer Technologien und Lösungen unterstützt wird.

Zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2018