Session 11 des economicum fand am 23. September 2021 im Montforthaus in Feldkirch statt. Thema waren verschiedene Strategien zur Sanierung von Wohngebäuden von der individuell geplanten und handwerklich umgesetzten Sanierung denkmalgeschützter Gebäude bis zur industrialisierten, vorgefertigten Sanierung großer Gebäudebestände der 50er bis 70er Jahre.
Resumé der Veranstaltung
Die Veranstaltung lockte wieder zahlreiche Interessierte am Thema nach Feldkirch ins Montforthaus. Neben den fachlichen inputs, Anregungen und neuen Ideen, stand vor allem auch der Austausch der Beteiligten untereinander an vorderster Stelle. Dies zeigte neben zahlreichen Fragen und Diskussionen am Ende der Vorträge auch der Austausch in den Pausen und am Ende der Veranstaltung.
Die in der 11. Session vorgestellten Erkenntnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die Reduktion der Treibhausgasemissionen erfolgt sowohl in Österreich als auch in Deutschland bei Weitem nicht schnell genug. Dies gilt sowohl für die Emissionen des Gebäudesektors, als auch für die Gesamtemissionen.
- Die technischen Konzepte zur wirtschaftlichen Umsetzung Klimaziel-kompatibler Sanierungen sind seit Jahren bekannt und haben sich in der Praxis bewährt. Die vorausberechneten Energiebedarfswerte werden in der Praxis bestätigt.
- Die Sanierungsrate und die mittlere Sanierungsqualität sind trotz aller innovativen Musterprojekte noch zu niedrig.
- Einer der Hauptgründe für die zu niedrige Sanierungsrate sind zu geringe Sanierungsrücklagen der meisten Hausbesitzer und Mieter. Diese reichen oftmals nicht aus, um auch nur die notwendigen Instandhaltungsarbeiten durchzuführen und den Wert des Gebäudes zu erhalten.
- Ausgehend vom niederländischen Konzept „energiesprong“ bzw. „stroomversnelling werden seit einigen Jahren neue Ansätze zur Industrialisierung der Sanierung erprobt. Durch standardisierte Planungsprozesse, serielle Fertigung und neue Finanzierungskonzepte sollen die Anzahl der hochwertigen Sanierungen deutlich erhöht und die Produktivität der Bauwirtschaft gesteigert werden.
- Denkmalgeschützte Gebäude und sonstige historisch wertvolle Gebäude können ebenfalls mit deutlichen Energieeinsparungen saniert, mit erneuerbaren Energien beheizt und somit ein „modernes“ Wohnen ermöglicht werden. Schwerpunkt derartiger Projekte wird jedoch weiterhin die individuelle, detaillierte Planung und die Umsetzung in hoher handwerklicher Qualität sein.
Sowohl zur Weiterentwicklung und Markteinführung der seriellen Sanierungen als auch zur Erhaltung wertvoller Bausubstanz ist die Politik gefragt: Förderungen sollten vom Neubau zur Sanierung verlagert werden, insgesamt sind bei den angestrebten verdoppelten Sanierungsraten und verbesserten energetischen Qualitäten erheblich höhere Gesamt-Förderbeträge notwendig. Zur Finanzierung können Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung verwendet werden.
Zusätzlich wäre es gerade für Österreich mit seiner starken und leistungsfähigen Holzbauwirtschaft wirtschaftlich sinnvoll, Markteinführungskonzepte analog zu Ländern wie den Niederlanden und Deutschland zu entwickeln, so dass der Aufbau neuer, stärker industrialisierter Vorfertigungsbetriebe schneller erfolgen kann.
Die Beiträge im Überblick
Im Einführungsvortrag analysierte Martin Ploß vom Energieinstitut Vorarlberg den Status Quo der Bemühungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in Vorarlberg, Österreich und Deutschland. Er zeigte auf, dass
- die Gesamt-Treibhausgasemissionen in Österreich und Vorarlberg im Vergleich zu 1990 nicht gesunken sind.
- marktbeste Sanierungen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu unsanierten Gebäuden um mehr als 90% senken können.
- diese Reduktionen wirtschaftlich erreicht werden können, dass aber in vielen Fällen die Instandhaltung und Grundsanierung von Bestandsgebäuden mangels ausreichender Sanierungsrücklagen nicht finanzierbar ist.
Maarten Hommelberg stellte das niederländische Sanierungskonzept „stroomversnelling“ vor. Nach diesem Konzept werden Bestandsgebäude durch Verringerung der Verluste (vorgefertigte Fassaden und Dachelemente, Wärmpumpen sowie durch große PV-Anlagen) auf den Standard Nullenergiegebäude saniert: der gesamte Energiebedarf der Gebäude wird jahresbilanziell durch die PV-Stromproduktion ausgeglichen. Die energetische Performance, d.h. der geringe Verbrauch und die hohe PV-Stromerzeugung werden vom Sanierungs-Anbieter garantiert, die dadurch gesicherten Energiekosteneinsparungen können monetarisiert werden. Wichtige Bestandteile des Gesamtkonzepts sind das Monitoring, die Optimierung im Betrieb sowie die Wartung der Anlagen.
Das Konzept wurde mit hoher Anschubfinanzierung des Staates entwickelt, inzwischen entwickelt sich der Markt dynamisch und es entstehen neue Anbieter und eine regelrechte startup-Szene.
Marc Großklos vom Institut Wohnen und Umwelt stellte ein Sanierungsprojekt in Darmstadt vor, in dem eine sehr hohe Effizienz mit bewährten Konzepten (Sanierung mit Passivhauskomponenten) durchgeführt und mit einer großen PV-Anlage kombiniert wurde. Besonderheit des Projekts ist, dass nicht nur die Errichtungskosten, sondern auch sämtliche Nebenkosten detailliert analysiert und minimiert wurden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da es sich um ein Projekt des sozialen Wohnbaus handelt. Das Monitoring zeigt, dass das Projekt zu den effizientesten Mehrfamilienhaus-Sanierungen in Deutschland gehört und zu vergleichsweise geringen Kosten errichtet wurde. Erfolgreich umgesetzt wurde ein Konzept der Warmmiete, bei dem die Heizkosten pauschaliert wurden und für Warmwasser und Haushaltsstrom Budgets vorgesehen sind.
Die Erfahrungen auch aus Vorgängerprojekten sind durchweg positiv, der Aufwand für die individuelle Abrechnung kann deutlich reduziert werden.
Das Thema der individuell geplanten Sanierung z.T. denkmalgeschützer, kleinerer Projekte im Montafon und im Großen Walsertal behandelte Bernhard Breuer. In den Projekten werden altbewährte Materialien wie Naturstein, Holz, Lehm und Kalkputz verwendet, die historisch wertvolle Substanz wird erhalten und trotzdem energetisch deutlich aufgewertet. Zur Beheizung wurden zum Teil alte Öfen restauriert statt neue Öfen zu installieren. Die Projekte überzeugen damit nicht nur in gestalterischer Hinsicht, sondern auch durch ihren konsequent schonenden Einsatz von Materialien.
Im abschließenden Vortrag präsentierte Stefan Oehler die Adaptierung des niederländischen Konzepts „energiesprong“ in Deutschland am Beispiel eines Mehrfamilienhauses in Hameln. Eine solche Adaptierung ist notwendig, da sich die Baukultur der beiden Länder durch unterschiedliche Normen und Traditionen deutlich unterscheide. Im Projekt konnten viele Detaillösungen optimiert werden, eine weitere Optimierung zur Reduktion der Sanierungskosten wird in drei anstehenden Nachfolgeprojekten erfolgen. Ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung ist die Integration von Haustechniksystemen in den Fassadenelementen. Ziel ist die minimalinvasive Sanierung mit geringstmöglicher Störung der Bewohner und mit Sanierungszeiten von etwa 2 Wochen bei deutlich verringerten Gesamtsanierungskosten.