Mittelberg hat vor rund einem Jahr als erste Gemeinde in Vorarlberg eine Schulstraße eingeführt. Mehr Sicherheit für die Kinder, weniger Eltern-Bringverkehr und ein Umdenken in der Mobilität waren die positiven Effekte. Heute gibt es sie nicht mehr, aufgrund einer Lücke im Gesetz. Bedarf gibt es aber immer noch – für den Schutz der jüngsten Verkehrsteilnehmer, die Kindergartenkinder.
Der Autoverkehr in der Früh und mittags vor Schulen kann schnell zu kritischen Situationen führen. Oft sind es auch die „Elterntaxis“, die vor allem zu Unterrichtsbeginn für Staus sorgen und die Verkehrssicherheit der Kinder und Jugendlichen gefährden.
Erste Schulstraße Vorarlbergs
Mitte Jänner 2023 hat die Gemeinde Mittelberg für die Volksschule Hirschegg die erste Schulstraße in Vorarlberg eingeführt. Die Zufahrt zur Schule wurde temporär von 7-9:30 Uhr und 11-13 Uhr für den Verkehr gesperrt. „Der Weg zur Schule sollte sicherer und kinderfreundlicher werden, ohne Elterntaxis und Individualverkehr“, erklärt Patrick Hilbrand, zuständige Sicherheitswache bei der Gemeinde Mittelberg.
Kinderfreundlicher Schulweg
Der Anstoß kam vom Elternverein. Auf der Gemeindestraße besteht zwar Tempo 30. Der Gehsteig ist jedoch nur einseitig vorhanden. Dazu kommt eine unübersichtliche Senke. Auch der rangierende Auto-Bring- und Holverkehr der Eltern in der engen Zufahrtsstraße zur Schule war vielen ein Dorn im Auge. „Eine Schulstraße mit temporärem Fahrverbot war eine schnelle und unbürokratische Lösung für einen kinderfreundlichen Schulweg“, so Hilbrand. Die erhöhte Sicherheit kommt auch den jüngsten Verkehrsteilnehmern zugute: denn im Schulgebäude ist auch ein Kindergarten angesiedelt, sodass täglich auch jüngere Kinder, oft auch von ihren kleinen Geschwisterkindern begleitet, denselben Weg benutzen.
Novelle macht Gemeinden flexibler
Mit der 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurde im Oktober 2022 die Schulstraße in Österreich mit einem eigenen Verkehrsschild gesetzlich verankert. Zuvor wurde die Schulstraße durch Fahrverbote mit zeitlicher Begrenzung auf einer Zusatztafel gelöst – die Fahrverbote mussten von der zuständigen Behörde für jede Schule eigens entwickelt werden. Durch die Novelle der StVO wurde die Einführung deutlich erleichtert.
Appelle für Autoverzicht reichen nicht
So können Gemeinden schnell und unbürokratisch ein Fahrverbot für Kfz auf der Straße oder einem Straßenabschnitt verordnen. Radfahren ist erlaubt. Innerhalb von zwei Monaten – nach Gesprächen und einem runden Tisch mit Elternverein, Schule, Kindergarten und Anrainern wurde die Schulstraße in Mittelberg vom Gemeindevorstand beschlossen. „Empfehlungen für einen Autoverzicht funktionieren nur bis zu einem gewissen Grad. Obwohl der Fußweg gerade mal vier bis sieben Minuten länger dauern würde. Ein zeitliches Fahrverbot ist da besser“, so Hilbrand. Elterntaxis mussten so auf Abstand bleiben, die letzte Strecke wird zu Fuß, mit dem Rad oder Roller zurückgelegt. Hilbrand: „Das Bewusstsein hat sich geändert und wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten“.
„Schulstraßen mit zeitlichem Fahrverbot sind eine schnelle und wirkungsvolle Möglichkeit, den Schulweg für Kinder sicherer zu gestalten.“
Andi Haid, Bürgermeister Gemeinde Mittelberg
Verschiedene Wege zur Verkehrssicherheit
Auch Studien haben gezeigt, dass ein täglicher Fußmarsch zur Schule zahlreiche positive Auswirkungen für die Kinder hat – von der Fitness, einer besseren Konzentration bis hin zum Sozialverhalten. Die Vorarlberger plan b-Gemeinden haben unterschiedliche Wege für eine bessere Verkehrssicherheit in der Praxis erprobt. So markieren in den Pilotgemeinden Lauterach und Schwarzach riesige gelbe und rote Buntstifte sowie bunte 3D-Punkte die sensiblen Verkehrsräume vor Schulen. Bregenz wiederum hat bereits im Jahr 2019 den „Gut-Geh-Raum“ in Schendlingen etabliert. Hier gilt ein ganztägiges Fahrverbot an Schultagen von 7:15 bis 17:00 Uhr mit Ausnahme Anrainer, Linienbusse, Radfahrer und Zustelldienste. Während das temporäre Fahrverbot in Schendlingen gut funktioniert, zeigt die Maßnahme vor der Schule Rieden in Bregenz kaum Wirkung. Der Grund: Auch Anrainerverkehr ist erlaubt – und somit auch Zulieferdienste, Gäste und Angestellte – was schwer zu kontrollieren ist.
Lücke im Gesetz
Nur acht Monate nach der Einführung der Schulstraße für die Volksschule Hirschegg, ist sie heute schon wieder obsolet. Der Grund: Die Volksschule Hirschegg wurde mit der Volksschule Mittelberg zusammengelegt. Nur die Kindergartenkinder sind in der Schule Hirschegg verblieben. Auf Anfrage der Gemeinde hieß es von den Verkehrsjuristen des Bundesministeriums: „Zu Schulstraßen erklärt werden können nur Straßenstellen oder Gebiete in der unmittelbaren Umgebung von Schulgebäuden“. „Eine Lücke im Gesetz“, sagt Patrick Hilbrand. „Es sollte um pädagogische Einrichtungen ergänzt werden. Gerade in Kindergärten gibt es eine große Zahl von Schutzbedürftigen im Straßenverkehr.“ Dies bekommt auch die Gemeinde Lustenau zu spüren. Die geplante Schulstraße, um die angespannte Verkehrssituation beim Kindergarten Am Schlatt durch Elterntaxis zu entschärfen, muss warten – bis die Ausweichschule für die Rotkreuz-Schulkinder fertiggestellt ist.
Weitere Informationen, Anleitung und Tipps zur Umsetzung finden Sie im „Leitfaden Schulstraße“ von klimaaktiv hier zum Download.
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