Der Klimawandel führt nachweislich vermehrt zu extremen Hitzeperioden. In bebauten Gebieten ist die Hitzebelastung besonders groß, denn die vielen versiegelten Flächen heizen die Umgebung auf. Wir stellen Strategien und Maßnahmen zur Hitzevorsorge für Gemeinden vor.

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Freiflächen sichern

Je dichter unser Siedlungsraum wird, desto wichtiger ist es, die „Grün-blaue“ Infrastruktur gleichrangig mit anderen notwendigen Infrastrukturen zu betrachten. Viele Bauflächen in unserer Gemeinde sind noch unbebaut und gewährleisten ein grünes Ortsbild. Werden sie nach und nach bebaut, geht diese Wirkung verloren. Um die ökologisch und klimatisch unverzichtbare Durchgrünung zu erhalten, müssen wir Grünräume auf lange Sicht sichern. Zusammenhängende Grün- und Freiflächen, Fuß- und Radwege sind klimatisch wirksame Grün- und Erholungsräume im Siedlungsgebiet.

Unsere Frei- und Grünraumplanung sollte einem Gesamtkonzept folgen, das im Räumlichen Entwicklungsplan (REP) abgebildet ist. Im Flächenwidmungsplan werden Freiflächen, Freihaltegebiete und Naturräume ausgewiesen.

Bei Bauvorhaben und Entwicklungsprojekten auf Flächen, die nicht im Gemeindeeigentum sind, bringen wir die Gestaltung von Grünräumen als öffentliches Interesse ein und suchen die Kooperation mit Eigentümern und Investoren.

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Was können wir tun

  • Wertvolle Brach- und Freiflächen freihalten
  • Innerörtliche Freiflächen auf lange Sicht konzipieren und sichern
  • Über Grundstücksgrenzen hinaus kooperieren
  • In Partnerschaft mit Grundeigentümern, Bauträgern, Projektentwicklern planen
Grünräume anpassen

Extreme Hitzewellen und lange Trockenheit, Starkregen, Sturm und Schädlingsbefall sind für die Vegetation Stressfaktoren. Ein naturnahes Grünflächenmangement schafft ökologisch wertvolle Lebensräume, die widerstandsfähig sind gegen extreme klimatische Bedingungen.

Bei der Neuanlage oder Umgestaltung unserer gemeindeeigenen Grünflächen wählen wir klimaangepasste Pflanzenarten. Mit der Umstellung auf extensive Pflege schaffen wir naturnahe, resistente Flächen mit großer biologischer Vielfalt und senken zudem die Kosten für Pflanzung und Pflege des öffentlichen Grüns. Bewässerung erfolgt nur bei großer Trockenheit. Damit nicht mit kostbarem Leitungswasser bewässert werden muss, können Zisternen für Regenwasser und Bewässerungssysteme langfristig eine sinnvolle Maßnahme sein. Das Speichern von Niederschlagswasser kann über die Baugrundlagenbestimmung oder in einem Bebauungsplan vorgeschrieben werden.

Was können wir tun?

  • Auf Vielfalt bei Bepflanzungen achten
  • Heimische und standortgerechte Pflanzen verwenden
  • Nährstoffarme Standorte erhalten
  • Auf Dünger und Pestizide verzichten
  • Regenwasser zur Grünflächenbewässerung nutzen
Bodenversiegelung minimieren

Die zunehmende Versiegelung unserer Böden ist ein Problem. Überhitzung als auch Überschwemmungen bei Starkregen werden dadurch verstärkt. Mit der Entsiegelung und Renaturierung von Flächen erhöhen wir den Wasserrückhalt und senken über die Verdunstungskühle der Bepflanzung die Umgebungstemperatur um mehrere Grade.

Vorgaben zum Versiegelungsgrad können über den Flächennutzungsplan bzw. Bebauungspläne festgelegt werden. Für Neubauvorhaben kann die Gemeinde als Bestandteil des Bauantrags einen Freiflächengestaltungsplan fordern, der die diesbezüglichen Festsetzungen des Bebauungsplans umsetzt.

Infos und Umsetzungsbeispiele für versickerungsfähige Oberflächen auf Parkplätzen bietet die Broschüre „Klimafitte Parkplätze“ der Natur im Garten GmbH, Niederösterreich

Was können wir tun?

  • Den Versiegelungsgrad abbilden
  • Gemeindeeigene Flächen beispielhaft entsiegeln
  • Kompensationsmaßnahmen für neuen Flächenverbrauch fordern
  • Klimatisch wirksame Flächen über die Bauleitplanung sichern
  • Die Bevölkerung sensibilisieren
Bäume erhalten und pflanzen

Der Schutz, die Pflege und der Ausbau unseres Baumbestands ist für die Klimaanpassung eine der wichtigsten Aufgaben. Bei allen Bauvorhaben in der Verantwortung unserer Gemeinde dürfen wir keine Bäume einsparen, sondern wir sollten im Gegenteil zusätzliche Bäume pflanzen. Wird z.B. eine Straße saniert oder neu gebaut, ist dies die Gelegenheit, um Standorte für großkronige Laubbäume zu schaffen. Die Artenwahl orientiert sich an zukünftigen Klimabedingungen.

Als Gemeinde können wir Standards für den Baumschutz festlegen. Mit einer Baumschutzrichtlinie oder in einer Freiflächengestaltungssatzung können wir beispielsweise bestimmen, ab welcher Mindestgröße Bäume auf öffentlichem und privatem Grund nicht mehr ohne Genehmigung gefällt werden dürfen.

Für private Bauvorhaben kann die Gemeinde bestimmen, dass anteilig zur Grundstücksgröße ein oder mehrere Laubbäume oder Großsträucher zu pflanzen sind. Eine Artenauswahlliste unterstützt die Eigentümer*innen. Neubauten sollten so geplant werden, dass Baumbestand erhalten wird und Neupflanzungen möglich sind. Deshalb sollten sich auch unterirdische Geschoße auf den „Fußabdruck“ des Hochbaus beschränken. Bestehende Bäume müssen mit Krone und Wurzelbereich in Baupläne eingezeichnet werden

Was können wir tun?

  • Erfassung aller gemeindeeigenen Bäume in einem Baumkataster
  • Standards für den Baumschutz im Hoch- und Tiefbau festlegen
  • Standorte für Neupflanzungen definieren

Der Baumnavigator ist eine Orientierungshilfe für die Auswahl geeigneter Baumarten unter Berücksichtigung von Standort und Klimabedingungen.

Den Wald schützen

Besonders unser Wald ist von Klimafolgen betroffen. Jede Baumart reagiert unterschiedlich auf Stressfaktoren. Daher mindern Mischbestände aus mehreren Baumarten und unterschiedlichen Altersklassen die Gefahr, dass viele Bäume gleichzeitig ausfallen, wie dies in Monokulturen die Gefahr ist. Mit einer angepassten Baumartenwahl, fachgerechter Durchforstung und einem Konzept für rasche Krisenbewältigung (z.B. bei Borkenkäferbefall) erhalten wir den Wald mittel- und langfristig klimaresistent.

Die Gemeinde kann aktiv auf private Kleinwaldbesitzer*innen zugehen, um sie für eine klimaangepasste Waldbewirtschaftung zu gewinnen. Gerade hoffernen Waldbesitzer*innen fehlt oftmals der fachliche Hintergrund zur Waldbewirtschaftung. Es ist hilfreich, wenn wir in diesen Fällen Beratungsangebote und fachlichen Input vermitteln. In Vorarlberg steht der Landesforstdienst für Fragen und Beratung zum Thema Wald zur Verfügung. Lokale Ansprechpartner sind die Waldaufseher*innen.

Die Plattform „Klimafitter Wald“ unterstützt Waldbesitzer*innen mit vielen Informationen und listet forstliche Beratungsstellen.
Vom Landesforstdienst gibt es die „Die Plenterwaldfibel“ für Waldbauern.

Dachbegrünung fördern

Gründächer haben viele Vorteile: Sie helfen die Folgen des Klimawandels zu dämpfen und erhöhen die Artenvielfalt, indem sie Pflanzen und Tieren einen geschützten Lebensraum bieten. In Kombination mit einer Photovoltaik-Anlage tragen sie zum Klimaschutz bei, außerdem verlängern sie die Lebensdauer der Dachabdichtung und sind schön anzuschauen.

Um den Anteil an Gründächern zu erhöhen, kann die Gemeindevertretung gemäß § 28 Raumplanungsgesetz in einem Bebauungsplan für einen Ortsteil oder das gesamte Ortsgebiet für Neubauten verpflichtend vorschreiben, dass bei Flachdächern ab einer bestimmten Größe ein Anteil der Dachfläche extensiv zu begrünen ist. Mögliche Begründungen dafür sind z.B. Schutz vor Überschwemmungen durch die Retentionswirkung oder die Verbesserung und der Schutz des Orts- und Landschaftsbildes. 

Eine Dachbegrünung kann auch im Zuge einer Baubewilligung vorgeschrieben werden, allerdings nur dann, wenn das eingereichte Projekt ohne die Dachbegrünung nicht genehmigungsfähig ist – z. B. wenn die Retentionsfläche sonst nicht ausreichen würde oder die Dachbegrünung für den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes als erforderlich erachtet wird.

Zuschüsse der Gemeinde zu den Errichtungskosten auf bestehenden oder neuen Dächern sind ein Anreiz, Dach- und Fassadenbegrünungen an Wohn- und Gewerbebauten einzusetzen.

Gründach und Photovoltaik_Hallenbad Muttenz_cr Stephan Brenneisen

Foto: Stefan Brenneisen

Was können wir tun?

  • Dachbegrünungen in der Gemeinde durch Zuschüsse fördern
  • Gründächer in einem Bebauungsplan festlegen

Weitere Informationen

  • Das Wichtigste zur Kombination von Gründach und Photovoltaik finden Sie in unserem Ratgeber, den Sie hier online durchblättern oder in unserem Broschürenshop kostenlos bestellen können.
  • Die Plattform „natürlich bunt & artenreich“ zeigt gute Beispiele für blühende Dächer, Fassaden und Grünflächen als Lebensraum für Insekten, Vögel und andere Wildtiere

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Schatten und Abkühlung planen

Ist Überhitzung in unserem Siedlungsgebiet ein Problem, ist ein Konzept zu Beschattung und Abkühlung zielführend. Mit Bürgerbeteiligung und der Unterstützung von Fachplaner*innen befassen wir uns mit der Gestaltung von Straßen und Plätzen, Haltestellen, Grünräumen und Spielplätzen. Die Themen sind z.B. Durchlüftung und Kaltluftzufuhr, schattige Sitzplätze, kühlende Grünflächen, Brunnen und Trinkbrunnen sowie Wasserspielplätze.Auch die Begrünung großflächiger Außenwände mit Kletterpflanzen wirkt sich kleinklimatisch günstig aus. Besonders geeignet sind dafür Industrie- und Gewerbegebäude.

Wasser verbessert das Mikroklima und schafft Abkühlung, sei es als natürliches Gewässer, als künstliche Anlage oder über die Verdunstungsleistung von Pflanzen. Wird das Regenwasser nicht mehr abgeführt oder versickert, sondern durch entsprechende Bodenaufbauten möglichst lange zwischengespeichert, kann es in Hitzeperioden über Vegetation und Boden verdunsten und die Umgebung kühlen. Dieses Prinzip erfordert ein Umdenken in der Wasserwirtschaft.

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Kaltluftzufuhr gewährleisten

Die Kaltluft entsteht im umgebenden Landschaftsraum. Damit von den Freiflächen des Umlandes kühle Luft ungehindert in dicht bebaute Gebiete strömen kann, sollten wir Durchlüftungskorridore definieren und über ein Bauverbot festschreiben. Damit wird der Luftaustausch und die nächtliche Abkühlung gesichert.

Zuletzt aktualisiert am 12. Juli 2023