Sich mit der Erde zu verbinden, ist möglicherweise für viele Anwender ökologischer Baumaterialien Teil ihres Credos. Dass man das auch wirklich wörtlich nehmen kann, haben sieben Unerschrockene beim Lehmputz-Praxisworkshop vom Energieinstitut Vorarlberg erfahren. Die Verbindung von kindlicher Begeisterung mit fundierter praktischer Erfahrung hat durch Lehmbauer Kai Längle eine spannende Lernerfahrung bereitet. Ein Bilderbogen von Wolfgang Seidel, der am Workshop teilgenommen hat.
Freitag, 5. Februar 2016, 14 Uhr, irgendwo in Götzis. Zu Beginn des Workshops haben wir uns mal ein bisschen Theorieinput erwartet. Kai Längle hat erwartet, dass wir erst mal Fühlung aufnehmen mit dem Material und in seinem Garten zu graben anfangen. Zwei unerschrockene sind gleich in die Grube gesprungen und haben etwas Dreck (ja, das haben wir uns damals gedacht, auch wenn es mir jetzt nach dem Workshop schwer fällt, das einfach so hinzuschreiben) in die Schubkarrette befördert.
Das wurde dann aber – weil ja doch Kurs, irgendwie – mal fachmännisch analysiert. Anfangs noch mehr aus der Ferne. Und ein bisschen unsicher, denn Kai hat das schon spannend gemacht, auf was er eigentlich rauswill.
Ein bisschen blümerant wurde es dann schon, als wir aufgefordert waren, mal alle Sinne bei der Erkungung dieses Häufchens Erde aus dem typischen Rheintaler Gartenboden einzusetzen. Und das sind ja doch ein paar: geschaut haben wir natürlich von Anfang an. Ein Klümpchen herausgenommen, das ein bisschen zwischen den Fingern gerollt, geknetet – ja das auch noch. Die Mutigen haben sogar daran gerochen. Neben dem Sehen, dem Tasten und dem Riechen gibt’s aber noch zwei Sinne, hat Kai erklärt. Nämlich das Hören und das Schmecken. Na seawas Gschäft, dachte der eine oder die andere noch, während ein nicht genannter Teilnehmer schon am Kauen war und damit die verbleibenden Sinne aufschloss: das Schmecken (erstaunlicherweise ziemlich geschmacksneutral) und das – ja! – das Hören. Nämlich das Knirschen vom Sand im Dreck hat man gehört.
Und als Kai dann fragte: „Ist das Lehm?“, waren wir ein bisschen unsicher. Klar, ist ja ein Lehmputzworkshop. Aber so aus dem Garten? Das klingt schon schwer nach Fangfrage. Ausgegeben hat er auf unser vorsichtiges Zurückfragen und Raten dann zudem nicht. Aber: Fühlung zum Corpus delicti hatten wir unbestritten aufgenommen. Und damit auch schon mitten drin in der Lehmforensik. Denn der Dreck wurde weiteren Prüfungen unterzogen:
Dem Auflösen in einem Glas frischen Götzner Brunnenwassers, zum Beispiel. Das war ganz schön anstrengend, übrigens.
Aber erkenntnisreich!
Um sicher zu gehen, wurden auch noch die Zigarren-Methode angewandt.
Die abschließende Diagnose? LEHM – wohin das Auge reichte. Einfach so im Garten. Das war schon ziemlich beeindruckend. Die Ernüchterung kam gleich, als Kai von der Aufbereitung zu erzählen begann. Nach dem Ausgraben muss man nämlich ziemlich lang rühren –
und stehen lassen und wieder rühren und dann sieben, sieben –
sieben, sieben.
Damit war dann schon mal der erste Putz zum Probieren aus dem eigenen Garten fertig und wurde gleich begeistert und mit den uns natürlicher- und idealerweise zur Verfügung stehenden ureigenen Werkzeugen zu Testzwecken an die Wand aufgebracht. Und zwar entweder etwas zärtlich
oder mit Schmackes. Da war sie dann auch, die reine, kindliche Freude!
Und damit beließ es Kai für den ersten Nachmittag auch. Der hatte uns schon ziemlich angefixt mit dem Lehm, und wir waren alle gespannt auf den nächsten Tag, denn da ging’s wirklich ans Verputzen. Und zwar mit diesen aalglatten Typen hier:
Am zweiten Tag konnte ich mich nicht mehr so sehr vor der Arbeit drücken, darum gibt’s nicht mehr so viele Bilder! Aber es sei gesagt: Die Putzzubereitung wurde professionalisiert, der Lehm feingetunt mit gesiebtem Sand, farbigem Sand oder Farbpigmenten.
Es wurde ausprobiert –
und zwar variantenreich. Vorerst noch weniger in Farben, aber viel in Konsistenzen, auf von Kai vorbereiteten Untergründen (von der roh lehmverputzten Wand bis zur Holzfaserplatte), in Körnungen, Schichtstärken, Mischungsverhältnissen, Fettigkeiten und so weiter.
Ach ja. Eine Wand haben wir dann auch noch verputzt und ein paar einfach anwendbare Techniken zur Oberflächenbehandlung gelernt.
Das Ergebnis? Kai war ziemlich zufrieden, vor allem vom gefühlvollen Kellenschlag jener beiden Teilnehmerinnen, die sich als Naturtalente gezeigt haben. Aber auch damit, uns sicht- und spürbar Lust auf das Erfahren, das Verarbeiten, aber besonders das „Erlehmen“ des wunderbaren Baustoffs gemacht zu haben. Wer wissen will, wie unsere Wand aussieht, kann sie beim nächsten Lehmputz-Praxisworkshop am selben Ort ansehen.
Was mir am Workshop sehr gefallen hat? Neben dem vielen Tun und Erfahren vor allem die kleine Gruppe sehr, sehr netter Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und mit verschiedensten Ideen, Erfahrungen und Hintergründen, die sich auf Anhieb verstanden hat. Trotz des winzigen gemeinsamen Nenners: dem Wunsch, mit einem der natürlichsten aller Baustoffe seine Wände zu verputzen.
Apropos verputzen: Die Bewirtung vom Götzner Bioladen ließ aber auch gar keine Wünsche offen.
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Zuletzt aktualisiert am 4. April 2017