Eine gute Frage. Die Antwort: nein – zumindest nicht so, wie Sie vielleicht denken.

Wenn wir Menschen einatmen, dann atmen wir – hoffentlich – sauerstoffreiche, CO2– und schadstoffarme Luft ein. Wenn wir ausatmen, atmen wir CO2-, feuchte- und schadstoffangereicherte Luft aus. Bauexperten wissen, dass Wände die Feuchte, die sie aufnehmen, auch wieder abgeben können müssen und sagen, dass Wände „atmen“ können müssen. Laien bekommen Angst um ihre Atemluft, insbesondere in Zusammenhang mit der Anbringung von Dämmstoff.

Die Ursache für die Verwechslung liegt in einem alten Kunststoffputz

Die Ursache für diese Verwechslung liegt in den späten 70er- oder frühen 80er-Jahren. Damals kam man auf die Idee, Polystyrol mit einem Kunststoffputz zu versehen, weil Polystyrol ja auch ein Kunststoff ist. Der Putz war aber ziemlich dampfdiffusionsdicht, die Feuchte begann sich unter ihm zu stauen.

Wenn eine Wand bauphysikalisch richtig aufgebaut ist, dann nimmt von innen nach außen der Widerstand gegen Dampfdiffusion Schicht für Schicht ab. Beim Wohnen entsteht Feuchte: durch die Atmung, beim Kochen, aus Pflanzen. Die dringt in die Wand ein, muss wieder weg, kann aber nicht „gegen den Strom“. Also diffundiert sie nach außen und darf auf dem Weg nach draußen nicht eingesperrt werden. Das passierte aber damals hinter dem Kunststoffputz. Über die Jahre sammelte sich diese Feuchte, bis der Putz abplatzte.

Frische Luft kommt nicht durch die Wand. Hoffentlich. Bild: Antonioguillem – stock.adobe.com

Polystyrol ist diffusionsoffener als der Ziegel

Die Schlussfolgerung: „Klar, die Wand kann ja nicht mehr atmen.“ Daher verwendete man ab damals andere Putze, diffusionsoffene Putze, Laien hielten den Dämmstoff für den Schuldigen und bekamen Angst um ihre Atemluft. Dabei ist Polystyrol sehr viel diffusionsoffener als vergleichsweise der Ziegel.

Die Luft zum Atmen kommt durch das Fenster herein oder, in modernen Bauten, durch die Komfortlüftung. Menschen brauchen 25 bis 30 Kubikmeter Frischluft pro Kopf und Stunde, verbrauchte Luft muss abtransportiert werden. Käme diese Menge Luft tatsächlich durch die Wand herein, dann würden wir uns in einem Sanierungsfall befinden – oder in einem Zelt.

Wenn die Wand wirklich atmet, ist sie ein Sanierungsfall – oder ein Zelt

In alten Gebäuden mit rissigen Wänden und undichten Fenstern und undichten Fensteranschlüssen kam für eine geringe Personenbelegung noch annähernd ausreichend Frischluft von selbst herein, mit allen negativen Begleiterscheinungen wie Zug und Energieverlust, warme Luft ging ja auch hinaus.

In modernen Gebäuden darf man daher auf das Lüften nicht vergessen, ausgenommen man hat eine Lüftungsanlage. Die Hoffnung, dass durch Verzicht auf Dämmung die Atemluft besser werden würde geht nicht auf.

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Zuletzt aktualisiert am 15. Juli 2020