Beim vergangenen Fachforum Strom unterhielten sich Karlheinz Strele (Innungsmeister der Vorarlberger Installateure) und Robert Küng (Geschäftsführer des Heizungs- und Sanitärgroßhändlers inhaus) im Studiogespräch mit Wolfgang Seidel über Liefer- und Kapazitätsengpässe, fehlende Ausbildungsangebote, Preisentwicklungen und Möglichkeiten, auch jenen den Umstieg auf ein klimafreundliches, zukunftsfähiges Heizsystem zu ermöglichen, die nicht mal eben 30.000,- Euro auf der hohen Kante haben.
Wo seht ihr die derzeit größten Herausforderungen in eurem konkreten Arbeitsfeld?
Strele: Wir haben eine große Anfrageflut und großen Bedarf an Beratungen zu zukunftsfähigen Heizungssanierungen und Gebäudesanierungen. Und das neben dem Neubau, der ja auch weitergeht.
Küng: Eine riesige Herausforderung ist derzeit das Thema der Planbarkeit durch die Hektik im Markt aufgrund der Pandemie, der Lieferengpässe, die Preisentwicklung durch den Krieg in Ukraine. Und dann kommt natürlich die ökologische Komponente dazu, die stark an Stellenwert gewinnt.
Über 50.000 Öl- und Gasheizungen sind in Vorarlberg im Einsatz, erstere sollen bis 2035, letztere bis 2040 vollständig ersetzt sein. Geht das?
Küng: Aus der heutigen Situation ist das sehr schwer vorstellbar. Auch wenn Installateure darum kämpfen, die Flut an Anfragen zu bewältigen. Wir zahlen jetzt die Rechnung dafür, dass wir in den letzten Jahren zwar stark in Richtung Ökologisierung der Systeme investiert haben und Nachfrage entwickelt haben. Nur haben wir zu wenig in eine übergeordnete Ausbildung investiert in Vorarlberg, um Gebäudetechnik auch auf Stufe der HTL und Fachhochschule zu etablieren. Das müssen wir stärker einfordern. Sonst ist dieses Ziel nicht erreichbar.
Was würde es eurer Meinung brauchen, dass die Situation sich verbessert?
Strele: Da gibt es keine Patentlösung. Wir tun unser Bestes in Sachen Lehrlingsausbildung – da haben wir auch eine hohe Ausbildungsquote. Aber das reicht einfach nicht. Das lässt sich auch nicht von heute auf morgen lösen. Das Ziel der 100% Quote Ausbau scheint mir unrealistisch. Übrig bleiben sicher jene Systeme, die technisch sehr schwierig zu lösen sind. Um etwa für Bregenzer oder Feldkircher Innenstädte Ersatz für Gasheizungen zu finden, wird man zuerst einmal richtig über die besten Lösungsansätze nachdenken müssen.
Bislang waren gefühlt immer die zeitlichen Ressourcen im Handwerk limitierend, jetzt kriegen wir auch keine Komponenten. Hat sich da etwas gewandelt?
Küng: Wir haben in den letzten 12 Monaten intensiv reagiert und fahren unser Lager hoch. Wir haben Lagerbestände, wie wir sie noch nie hatten. Aber nicht immer die richtigen Artikel. 98% der Sortimente sind im Übermaß vorhanden. Die vollen Lager schaden aber letztlich der Kontinuität. Jeder nimmt was er kriegt, da müssen wir lernen auszuweichen. Es gibt aber allerdings auch einen Gegentrend: es wird derzeit immer wieder kurzfristig Ware frei, weil Ware aus Russland abgezogen wird. Es wird aber sicher 1,2 Jahre hektisch bleiben.
Das Beste ist: miteinander Ruhe bewahren.
Strele: Die nächsten 1,2 Jahre müssen wir uns darauf einstellen, täglich Schreiben von Herstellern zu erhalten a la „Gerät xy wird erst im Jahr 2023 wieder verfügbar sein“. Richtig planen, das können wir nicht.
Müssten wir dann nicht beim Ersatz für Öl- oder Gasheizungen Prioritäten setzen? Also nicht: wer zuerst kommt oder wer am meisten zahlt, sondern wer’s am dringendsten braucht, oder wo’s am meisten bringt?
Strele: Ich sehe das schon in Richtung Priorisierung auf Alter und Dringlichkeit der Sanierungen. Die gehören vorgezogen. Und ebenso die leistungsfähigeren, die größeren.
Man muss an den großen Stellschrauben zuerst drehen.
Es ist ja im Prinzip ein Wahnsinn, wenn man eine Anlage, die erst sieben Jahre alt ist und locker den selben Betriebszeitraum aushält, rausreißt. Das ist Verschwendung.
Das Thema Kosten beschäftigt euch in der Branche, das interessiert die Leute, die bei uns anrufen. Momentan muss man für eine neue Heizung so viel Geld ausgeben wie nie zuvor. Was sind die Kostentreiber derzeit?
Strele: Hier gibt es auch mehrere Faktoren. Der große Teil ist zurückzuführen auf die laufende Materialpreisteuerung, die von Industrie und Herstellern kommt. Da werden wir vor Tatsachen gestellt. Wegen der Inflation benötigen Mitarbeitende Teuerungsabgeltung. Das ist richtig so, aber schlägt sich auch auf den Preis nieder. Dazu kommt, dass die Nachfrage am Markt groß ist und die Lieferkapazität gering.
Sind auch die hohen Förderungen für die steigenden Preise verantwortlich?
Küng: Auf Materialseite spüren wir eine Abflachung der extremen Trends, aber die Kalkulierbarkeit ist schwieriger geworden. Ich rechne also nicht mit einem Preisrückgang. Das Beste, was wir tun können ist Druck aus dem System rausnehmen.
Bitte hört auf mit den Förderungen, es ist das schlimmste momentan, dass wir künstlich Nachfrage erzeugen und damit das System weiter beschleunigen.
Wenn wir da gemeinsam ein bisschen auf die Bremse treten, wenn wir ein Sanierungsziel definieren, aber uns jetzt mal zwei Jahre ein bisschen Abkühlphase geben, ich glaube das wäre das Beste in der derzeitigen Situation.
Die „Sauber-heizen-für-alle-Aktion“ von Bund und Land, die eine 100 %-Förderung verspricht, ist aufgrund der österreichweit gleich gedeckelten Maximalkosten im Land ja höchstens eine 60 oder 70%-Förderung. Wie gehen wir mit jenen um, die sich den Ersatz nicht leisten können?
Strele: Da kommt sicher ein Handlungsbedarf auch uns zu. Das ist nicht nur die ärmste Bevölkerungsschicht, die sich das nicht leisten kann. Wir reden da von mehreren 10.000 Euro für eine neue Heizung. Das ist auch für die Mittelschicht eine Herausforderung. Da arbeiten wir bereits bestehende innovative Lösungen aus. Aber wir müssten das so umsetzen, dass wir es im Land gemeinsam anbieten können. Dass wir passende Finanzierungsformen finden, wie etwa contracting, Wärmelieferungen usw. Sonst ist die Hürde für viele Menschen zu groß.
Was wären denn Alternativen zu den hohen Förderungen um die Tauschrate aufrecht zu erhalten, die wir am Ende ja aus Klimaschutzgründen brauchen?
Küng: Es kann sicher nicht sein, dass sich jemand in Vorarlberg keine neue Heizung leisten kann, weil das Geld fehlt. Es gibt jedoch – wie bereits erwähnt – auch Mittel wie etwa Energielieferverträge, contracting etc. Aber das sollte auch an bestimmte Bedingungen – wie Alter und Sinnhaftigkeit für Gebäude – geknüpft werden. Wenn man es dann gemeinsam mit hoher Eigenenergieerzeugung durch PV-Anlagen und durch Energiespeicher schaffen kann, den Menschen Einsparpotenzial aufzuzeigen, und ihnen helfen kann, Investitionen zu stemmen, dann muss nicht alles über Förderungen laufen, das könnte auch über Darlehen funktionieren.
Was wird sich aus eurer Sicht in nächsten Jahren an technischen Lösungen durchsetzen? Gibt es noch einen Wunderwuzzi, den wer aus dem Hut zieht und alles einfacher macht?
Strele: Den Wunderwuzzi, den würde ich gerne präsentieren. Es gibt einzelne Stellschrauben, an denen man derzeit dreht. In der Kältetechnik bei Luftwärmepumpen zum Beispiel, geht der Trend in Richtung umweltfreundliche Kältemittel, das Verbesserungen bringt. Es gibt innovative Ideen, die Kälteprozesse verbessern, um höhere Leistungszahlen zu erreichen, was geringere Stromverbräuche bewirkt. Etwas Großes wäre das Thema Wasserstoff. Aber bis das auf unserer Ebene ankommt, da vergehen wahrscheinlich noch zehn Jahre.
Ein persönlicher Tipp für alle Tauschwilligen zum Abschluss? Wenn jemand kommt und sagt, ich habe eine Gas- oder Öl-Heizung, die will ich loswerden, was sagst du dann Robert?
Küng: Auf jeden Fall die Angelegenheit ganzheitlich anschauen. Die technologischen Schwerpunkte sind wichtig.
Das Entscheidendste ist jedoch, dass der Mensch die Heizung hat, die zu ihm passt, das System hat, das zu ihm passt, dass die Einbindung in sein Leben und Alltag gut funktioniert.
Und: Gut beraten lassen. Da gibt es im Land ganz gute Stellen, bei den Installateuren, beim Energieinstitut Vorarlberg, bei Fachhändlern. Dann klappt es auch mit dem Heizungstausch.
Zuletzt aktualisiert am 28. Juli 2022