Mit einer Cradle-to-Cradle-Verpackung aus Pilzen und einem Selbstversuch zu den Pariser Klimazielen werden heuer zwei wegweisende Projekte auf dem Weg zur Energieautonomie mit dem Energy Globe Vorarlberg ausgezeichnet, nämlich der Reinigungsmittelspezialist Uni Sapon und das Projekt „Paris Vorderwald“ der Energieregion Vorderwald.
Verpackungsmaterialien sind unverzichtbar. Egal ob aus Kunststoff, Metall oder Papier – täglich werden tonnenweise Folien, Schachteln und Kisten dafür verwendet, um Güter sicher von A nach B zu bringen.
Viele davon sind nur einmal im Einsatz. Zwar können sie recycelt werden, bei Kunststoffverpackungen liegt die Quote allerdings bei einem mageren Drittel.
Der Feldkircher Wasch- und Reinigungsmittelhersteller Uni Sapon reduziert als „unverpackt“-Pionier schon seit mehr als 30 Jahren Verpackungsmüll. Jetzt ist es gelungen, Kunststoffdosen und Verpackungstrays aus Styropor durch ein rückstandsfreies Cradle-to-Cradle-Produkt zu ersetzen.
Hergestellt wird die Styropor-Alternative aus einem von Pilzmyzel durchwachsenen Substrat. Das Ausgangsmaterial besteht aus den Schalen von Sonnenblumenkernen, die bei der Produktion von Bio-Sonnenblumenöl übrigbleiben. Die eingesetzten Rohstoffe sind zu 100% natürlich.
Weltweite Nachfrage nach Cradle-to-Cradle made in Vorarlberg
Jahrelang hat das Uni Sapon-Team um Marion Reichart und Peter Metzler an der Lösung getüftelt. „Wir sind überzeugt, dass Verpackungen aus Pilzen die Verpackungsindustrie revolutionieren können. Dem Material steht eine große Zukunft bevor“, zeigt sich Reichart überzeugt. Die Innovation findet auch global Beachtung, weshalb sich die engagierte Unternehmerin derzeit vor Anfragen aus aller Welt kaum retten kann. 2020 will Uni Sapon durch diese Innovation rund 50.000 Einweg-Kunststoffbehälter einsparen, 2021 sollen es schon 60.000 sein.
Die Energy Globe-Jury unter dem Vorsitz von Energieinstituts-Geschäftsführer Josef Burtscher lobt den hohen Grad der Innovation, die auf großes Engagement zurückzuführen sei und hält das preisgekrönte Projekt für ein „besonders gelungenes Beispiel für ein Produkt, das nicht nur keinen Schaden anrichtet, sondern ein für den Kompost bestimmtes Material zum wertvollen Rohstoff veredelt.
„Wir sind überzeugt, dass Verpackungen aus Pilzen die Verpackungsindustrie revolutionieren können. Dem Material steht eine große Zukunft bevor“. Marion Reichart, Geschäftsführerin Uni Sapon.
Dem Lob schließt sich auch Johannes Rauch an: „Das Pilzverpackungs-Projekt von Uni Sapon leistet mehr als eine gute Hülle: Hier hat eine innovative Idee mit Umwelt- und Energiesparbewusstsein eine Lösung geschaffen, die vielen zu Gute kommen kann. Herzliche Gratulation“.
Engagierte Vorderwälder Familien im Klima-Selbstversuch
In Paris beschloss die Staatengemeinschaft 2015, die Erderwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß umfassend reduziert werden. Im Projekt „Paris – Vorderwald“ haben 14 Haushalte in der Energieregion Vorderwald ausprobiert, ob es ihnen schon jetzt gelingt, die von ihnen verursachten CO2-Emissionen auf unter 2 Tonnen pro Person und Jahr zu senken. Denn diese Grenze entspricht dem Erreichen der Pariser Klimaziele.
Das öffentlich ausgeschriebene Experiment fand 64 Mutige, die ihre gesamten CO2-Emissionen nach der in Vorarlberg entwickelten Methodik „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ erfassten. Die 100 Punkte entsprechen dabei dem persönlichen Anteil am Paris-Ziel.
Mit überlegten Maßnahmen schon nahe an den Klimazielen
Während eine Person in Österreich im Durchschnitt 450 Punkte täglich „verbraucht“, konnten die Emissionen im Experiment auf 138 Punkte gesenkt werden. Das gelang durch das gezielte Identifizieren und Umsetzen von Maßnahmen: Die Teilnehmenden probierten unter anderem Öffis und Elektroräder, tauschen ineffiziente Leuchtmittel, installierten eine PV-Anlage, bauten Gemüsegärten, änderten Urlaubspläne, fokussierten auf regionale und saisonale Produkte, arbeiteten im Homeoffice und trafen sich im Repair-Café.
Besonders erfreulich für die Initiatoren des Projekts: Auch die Jugendlichen in den Haushalten waren treibenden Kräfte. Und die Familien empfanden das vierwöchige Experiment durchwegs bereichernd – und nicht als Einschränkung.
„Auch wenn die Voraussetzungen im Mobilitätsbereich nicht optimal sind, ließen sich die CO2-Emissionen schon erstaunlich weit reduzieren.“ Monika Forster, Energieregion Vorderwald
„Es war erstaunlich, wie weit sich die CO2-Emissionen schon reduzieren ließen“, zeigen sich Monika Forster von der Energieregion Vorderwald und Martin Strele vom Büro kairos beeindruckt. „Und das trotz eher ungünstiger Voraussetzungen, was zum Beispiel die Mobilität anbelangt – ist man in ländlichen Regionen doch eher auf das Auto angewiesen, als in Ballungszentren wie beispielsweise dem Rheintal.“
Persönliches Engagement braucht Unterstützung durch Politik
Die Mobilität zeigte auch besonders deutlich auf, dass persönliches Engagement an Grenzen stößt, wenn sie von den Rahmenbedingungen gesetzt werden: Fährt kein Bus oder fehlt der sichere Radweg, fällt der Verzicht aufs Auto nicht leicht. Aber auch in anderen Bereichen formulierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Vorschläge an die Politik, um klimafreundliches Verhalten zu erleichtern.
Ein Ruf, der auch schon Landesrat Johannes Rauch erreicht hat. „In Vorarlberg planen wir den Öffentlichen Verkehr nach dem Motto ‚Schaffe das Angebot und du bekommst die Nachfrage‘. Der Umstieg vom Auto auf den ÖV und das Fahrrad muss einfach, praktikabel und leistbar sein. Es muss attraktiver sein mit dem ÖV oder dem Fahrrad unterwegs zu sein als mit dem Auto: breite Fahrradwege, gute Beschilderung und schnelle Verbindungen“, so der Mobilitätslandesrat.
„Der Umstieg vom Auto auf den ÖV und das Fahrrad muss einfach, praktikabel und leistbar sein.“ Mobilitätslandesrat Johannes Rauch
Rauch zollt außerdem den engagierten Familien im Vorderwald Respekt: „Sie haben gezeigt und vorgelebt, dass es möglich ist, im eigenen Wirkungsbereich CO2-Emissionen einzusparen und Veränderungen durchzuführen. Sie haben sich aus ihrer Comfort-Zone gewagt und gewonnen. Nicht nur an Erfahrungen, sondern für uns alle ein Stück zur Verbesserung beigetragen. Sie haben uns nämlich deutlich gezeigt, dass es gemeinsam möglich ist. Und das ist viel!“.
Neben den Preisträgern weitere hochkarätige Einreichungen
Neben den beiden ausgezeichneten Projekten wurden zahlreiche weitere Projekte zum Energy Globe eingereicht – von der bedarfsgesteuerten Straßenbeleuchtung bis zur umweltfreundlichen Druckerei. Ein Umstand, der den Juryvorsitzenden Josef Burtscher freut: „Die große Dichte an hochwertigen Einreichungen zeigt, dass Vorarlbergs Innovationsgeist und Engagement zuversichtlich auf den weiteren Weg in Richtung Energieautonomie blicken lassen.“
„Die große Dichte an hochwertigen Einreichungen zeigt, dass Vorarlbergs Innovationsgeist und Engagement zuversichtlich auf den weiteren Weg in Richtung Energieautonomie blicken lassen.“ Josef Burtscher, Geschäftsführer Energieinstitut Vorarlberg
Factbox Pilzverpackung (Projekt von Uni Sapon)
- Mehrweg-Transportverpackung aus einem von Pilzmyzel durchwachsenen Substrat aus den Schalen von Sonnenblumenkernen
- Das Substrat wird mit speziell ausgewählten Pilzen beimpft
- In einer maßgeschneiderten Form durchwächst das Myzel die Sonnblumenschalen und es entsteht ein kompaktes Behältnis.
- Die entstandene Verpackung ist sehr stabil, wasserabweisend und schwer entflammbar.
- Am Ende der Lebensdauer kann sie im Kompost entsorgt werden.
- Vermeidung von ca. 50.000 Einweg-Kunststoffbehältern allein 2020
Factbox „Paris Vorderwald“ (Projekt der Energieregion Vorderwald)
- 14 Haushalte mit 64 Personen haben teilgenommen
- Ziel: Ausprobieren, ob die CO2-Emissionen auf unter 6,8 kg / Person und Tag (oder etwas über 2 Tonnen pro Jahr) gesenkt werden können
- Pro-Kopf-Emissionen in Österreich: Rund 30 kg / Tag. Pro-Kopf-Emissionen in der Projektgruppe am Ende des Experiments unter 10 kg / Tag.
- Beispielhafte Maßnahmen: Umstieg auf Elektromobilität, Rad und ÖV, Reduktion von Autofahrten durch Fahrgemeinschaften, Errichtung einer PV-Anlage, Verlagerung des Einkaufs hin zu saisonalen, regionalen und biologisch hergestellten Produkten, freiwillige Kilometerbeschränkung beim PKW, verändertes Freizeit- und Konsumverhalten, usf.
- Die Energieregion Vorderwald ist eine von 96 Klima- und Energiemodellregionen Österreichs, die pilotartig Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen
- Alle Infos zum Projekt unter energieregion-vorderwald.at
Der Energy Globe
Der Energy Globe ist der weltgrößte Umweltpreis. Der Vorarlberg-Ableger wird vom Energieinstitut Vorarlberg kuratiert. Die Landessieger nehmen am Bundeswettbewerb statt. Die Bundessieger*in wiederum am internationalen Energy Globe. 2019 erreichte mit der Landeshauptstadt Bregenz mit dem verkehrsberuhigten „Gut geh Raum“ vor der Schule Schendlingen erstmals die Vorarlbergsiegerin auch den Gesamtsieg auf Bundesebene. Details zum Energy Globe finden Sie hier.
Zuletzt aktualisiert am 6. Juli 2020