Das geflügelte Wort suggeriert Überfluss. Doch ist Sand gar nicht so im Überfluss vorhanden, wie gedacht. Zumindest nicht der, den wir zum Bauen brauchen.

Sand und Kies sind essentiell für die Herstellung von Beton, welcher zu mehr als zwei Dritteln aus diesen Rohstoffen besteht. Der globale Bedarf hat sich innerhalb von 20 Jahren verdreifacht und liegt bei über 40 Milliarden Tonnen pro Jahr. Alleine die Bauindustrie benötigt rund 30 Milliarden Tonnen. Entlang des Äquators aufgeschüttet, ergäbe sich daraus eine Wand mit 20 Metern Höhe und 20 Metern Breite. Die übrigen zehn Milliarden Tonnen werden für die unterschiedlichsten Zwecke verwendet, darunter die Herstellung von Glas, Mikrochips, Papier und Kosmetika. Dem anhaltenden Bauboom stehen versiegende Sand- und Kiesgruben entgegen. Kann der wachsende Hunger nach Rohstoffen auch in Zukunft noch gestillt werden?

Der Sand am Meer ist begehrt

Sand ist zwar prinzipiell im Überfluss vorhanden, jedoch eignet sich nur ein Bruchteil davon zur Zement- und Betonherstellung. Die glatt geschliffenen Körner des Wüstensandes sind dafür unbrauchbar; Sand aus Flüssen und Meeren eignet sich dank erhöhter Reibungseigenschaften hingegen bestens. Der Abbau des im Lauf von hunderten von Jahren fein geschliffenen Sandes wirkt sich auf umliegende Ökosysteme aus, und fehlende Expertise bzw. fehlende oder schlechte rechtliche Rahmenbedingungen können zu massiven Umweltschäden führen.

Durch das Abgraben von Stränden kann Salzwasser in das Landesinnere eindringen und ganze Landstriche unfruchtbar machen. Deren Bewohner, die ihren Lebensunterhalt durch das Bewirtschaften dieser Ländereien bestreiten, müssen ihre Heimat verlassen und sich neue Lebensgrundlagen suchen. Darüber hinaus sind abgetragene Ufer und Küsten den Kräften von Wind und Wasser ausgeliefert, wodurch diese schneller erodieren. Damit steigt auch die Anfälligkeit für Hochwasser und Sturmfluten. Durch das sukzessive Ausbeuten von Sandvorkommen an Land steigt der Druck auf den Abbau von Meeressand zudem stetig an.

Working belt conveyors and a piles of rubble in Gravel Quarry, CR AdobeStock_122947485_isabela66

Sand, den man auch zum Bauen verwenden kann, ist gar nicht so sehr im Überfluss vorhanden, wie man vielleicht glauben mag. Bildnachweis: stock.adobe.com/isabela66

Es gibt tatsächlich eine „Sandmafia“

Staaten mit Sandvorkommen, welche den strengen Voraussetzungen zur Betonherstellung entsprechen, finden in diesem ein begehrtes Exportgut, für das mitunter ganze Landstriche und Inseln abgegraben werden. Um dem Einhalt zu gebieten, wurde in einigen südostasiatischen Ländern bereits ein Exportverbot auf Sand erlassen. Damit stellte sich der Export jedoch nicht ein: Der Schwarzmarkt und die so genannte Sandmafia haben sich das lukrative Geschäft unter den Nagel gerissen. Sie agieren ohne Rücksicht auf Arbeitsbzw. Menschenrechte oder Umweltschutz. Dass die Sandmafia keine Skrupel kennt, zeigt sich am Mord eines indischen Journalisten, der wegen seinen Recherchen zum illegalen Sandabbau mit Benzin übergossen und angezündet wurde.

Auch in Europa ist der Sand begrenzt

Langsam ist der Sandmangel auch in Europa zu spüren: Sandgruben erschöpfen sich zunehmend und unerschlossene Sandvorkommen liegen oft in Naturschutzgebieten oder unter überbauten Flächen, was den Abbau entweder unmöglich macht oder erheblich erschwert. Darüber hinaus sind Sandgruben auch in Europa ein Eingriff in Ökosysteme. Veränderungen am Grundwasserstand und der Rückgang von Flora und Fauna sind keine Seltenheiten. Das Betreiben der Anlagen geht außerdem mit Staub- und Lärmbelastung für umliegende Einwohner einher. Kurzum: Es gibt mehr als genug Gründe, Alternativen zur Betonherstellung aus Sand zu finden.

Auch beim Kies schaut es nicht viel besser aus

Auch das Errichten von Kiesgruben geht mit Eingriffen in natürliche Systeme einher, mit ähnlichen Symptomen wie bei der Sandgewinnung: Schwankungen des Grundwasserstands und die Abnahme an Biodiversität sind Beispiele dafür. Jedoch versiegen Kiesvorkommen zusehends und die Genehmigung neuer Kiesgruben nimmt oftmals mehrere Jahre in Anspruch, wenn sie denn überhaupt erteilt wird. Analog zum Rohstoff Sand sollte also auch eine Alternative zu frischem Kies für die Herstellung von Beton gefunden werden.

Recycling oder alternative Materialien als Ausweg

Geschlossene Kreisläufe entlasten den Abbau von Rohstoffen. Dazu gehört auch das Recyceln von Baustoffen wie Beton. Zwar entspricht die Qualität nicht mehr dem Ausgangszustand, dennoch können die Rohstoffe immer noch sinnvoll eingesetzt werden, zum Beispiel für die Herstellung von Porenbeton als Bauund Isolationsmaterial. Das Fraunhofer Institut hat im Projekt „BauCycle“ intensive Forschung zum Recyceln von Baustoffen betrieben. Neue Betonrezepturen ermöglichen zudem auch die Verwendung von Wüstensand. Im Speziellen wüstenreiche Länder können stark vom sogenannten Polymerbeton profitieren.

Auch Holzbeton könnte in Zukunft als Alternative zu herkömmlichen Betonsorten herangezogen werden. Darüber hinaus ist der Einsatz von Beton durch umweltschonende Ressourcen wie Holz und in manchen Fällen auch Lehm eine Alternative. Immerhin ist der Holzbau mittlerweile so weit vorangeschritten, dass er selbst bei Mehrgeschossbauten Anwendung findet. Auch der beinahe in Vergessenheit geratene Baustoff Lehm rückt wieder ins Rampenlicht. Die Vorteile dieser Rohstoffe liegen nicht nur in deren Nachhaltigkeit (Holz ist als Baustoff praktisch CO2-neutral und Lehm endlos recyclingfähig), sondern auch in gesundheitlichen Aspekten, wie einem verbesserten Raumklima und einer höheren Luftqualität.

Sand und Kies im „Ländle“

Vorarlbergs Bausektor benötigt jedes Jahr rund vier Millionen Tonnen mineralischer Baustoffe, worunter nicht nur Sand und Kies fallen. Das entspricht über zehn Tonnen pro Einwohner. Von den rund 3,5 Millionen Tonnen, welche in Vorarlberg gewonnen werden, wird nicht alles auch vor Ort verwendet. Ein großer Anteil wird exportiert, während die entstehende Differenz über Importe aus anderen Bundesländern, Deutschland und der Schweiz beglichen wird. Der Import allein für Sand und Kies beläuft sich auf über 800.000 Tonnen, 200.000 davon sind Rundkies für die Herstellung von Beton. Außerdem verfügt Vorarlberg über keine eigene Zementproduktion und ist diesbezüglich komplett auf Importe angewiesen.

Dieser Beitrag stammt aus der Frühjahrsausgabe 2020 unserer Institutszeitschrift max50. Sie können max50 kostenlos abonnieren oder hier digital nachlesen.

Zuletzt aktualisiert am 5. August 2020