Zahlreiche Gebäude im Land sind es wert, dass ihre Besonderheiten auch nach einer Sanierung erhalten bleiben. Zwei Expertinnen über ihre Zugänge zur Sanierung von anspruchsvollem Bestand.
Sich auf die Sanierung eines anspruchsvollen, erhaltenswerten Gebäudes einzulassen, sei wie der Beginn einer Romanze: aufregend, spannend, ein bisschen ungewiss und auf jeden Fall emotional.
Das sagt die Dornbirner Architektin Julia Kick. Und sie muss es wissen, denn sie zählt zu jenen Mitgliedern der Vorarlberger Architektenschaft, die ein besonderes Gespür für besondere Häuser und ein Faible für die Sanierung derselben haben. Auch aus eigener Erfahrung als Bauherrin weiß sie, dass bei einer Sanierung einiges harmonieren muss, damit sie gelingen kann. Und dass von allen Beteiligten viel Gefühl gefordert ist.
Wir haben Julia Kick und Barbara Keiler, Leiterin der Vorarlberger Abteilung des Bundesdenkmalamtes, darum gebeten, jene Fragen zu formulieren, die Sie sich ganz zu Beginn einer anspruchsvollen Sanierung stellen sollten. Und das sind sie:
Worin liegt die Bedeutung des Gebäudes?
Hat das Gebäude eine besondere kulturelle, historische oder künstlerische Bedeutung für einen Ort oder die Region? Das ist die erste Frage, die Barbara Keiler stellt. Sie ist die Grundlage, von der in der Denkmalpflege ausgegangen wird und die den Eigentümern, Handwerkern und Architektinnen vermittelt werden sollen:
„Nur was man kennt und schätzt, kann man auch schützen und in die Zukunft mitnehmen“.
Welche Beziehung hat das Gebäude mit seinem Umfeld?
Auch Julia Kick fragt als erstes nach dem Zusammenhang des Gebäudes mit seinem Umfeld. Erhaltenswerte Gebäude stehen meist schon eine sehr lange Zeit an „ihrem“ Ort.
Die Wechselwirkung zwischen Gebäude und Umfeld zu lesen und zu verstehen, ist Grundvoraussetzung, um einen Bestand gelungen neu zu interpretieren, zu bewahren und gleichzeitig zu verändern, meint die Architektin.
Wie ist das Verhältnis zwischen Bauherrschaft und Gebäude?
Die Sanierung erhaltenswerter oder gar denkmalgeschützter Gebäude ist komplexer, als eine „normale“ Sanierung. „Die Bauherrschaft muss das Gebäude schätzen und respektieren“, findet Julia Kick. „Nur so ist sie bereit, die aufgrund der besonderen Substanz erforderlichen Kompromisse einzugehen.“
Welche Nutzung soll das Gebäude erfahren?
Im Land zeigen zahlreiche Beispiele, dass eine neue Nutzung in historische Gebäude implementiert werden kann. Oft begründet in Schließungen von Textilbetrieben oder aufgelassenen Landwirtschaften. Und doch sei es aus Sicht der Denkmalpflege am besten und einfachsten, so Barbara Keiler, wenn auch nach der Sanierung bei der ursprünglichen Nutzung geblieben werden könne.
„Ein erhaltenswerter Bestand gibt durch seine bauliche Struktur räumliche Möglichkeiten vor“, ergänzt Julia Kick. „In diesem Rahmen ist eine Interpretation möglich. Sprengt eine gewünschte Nutzung diesen räumlichen Rahmen oder muss das Gebäude sich für die Erfüllung von Ansprüchen zu sehr ‚verbiegen‘ sollte eine Sanierung nicht erzwungen werden.“
Wie bleibt das Besondere des Gebäudes auch nach der Sanierung ablesbar?
Wird im Rahmen einer Sanierung der erhaltenswerte Bestand erweitert, sollte eine gelungene Verbindung zwischen Alt und Neu angestrebt werden, empfiehlt Barbara Keiler und rät vor allem vom „Erschlagen“ des Bestands durch überdimensionale oder unpassende Formen, Farben und Materialien ab. Wobei die neuen Elemente durchaus zeitgemäß sein sollen, es käme eben auf die Zwischentöne an. Zudem müsse bei einer Sanierung auch der Bestand in Bezug auf Barrierefreiheit, Energieeffizienz, Brandschutz und so weiter fit und zukunftsfähig gemacht werden.
Zuletzt aktualisiert am 16. April 2020